Im Westen nichts Neues

Im Westen nichts Neues

Originaltitel: Im Westen nichts Neues
Genre: Drama
Regie: Edward Berger
Hauptdarsteller: Felix Kammerer
Laufzeit: BD (148 Min)
Label: Capelight Pictures
FSK 16

Im Westen nichts Neues   04.04.2023 von Dan DeMento

Was wurde Edward Bergers letztjährige Verfilmung von Im Westen nichts Neues anfangs nicht verrissen. „Fehlerhaft, klischeebeladen und wenig authentisch“ war noch eine der netteren Kritiken. Dann kamen sieben BAFTAS und vier Oscars, und plötzlich fanden ihn alle doch nicht mehr so schlecht. Dank Capelight Pictures gibt es den Antikriegsfilm jetzt im limitierten Collector-Mediabook fürs Heimkino. Aber warum 30 Euro auf den Tisch liegen für einen Film, den es schon seit einem halben Jahr bei Netflix gibt? Wir sagens euch!
 
Inhalt:
 
Deutschland 1917 - Der 17jährige Paul Bäumer (Felix Kammerer) tritt - gegen den Willen seiner Eltern - zusammen mit seinen Freunden Albert (Aaron Hilmer), Ludwig (Adrian Grünewald) und Frantz (Moritz Klaus) in den Kriegsdienst ein und macht sich auf den Weg an die Westfront. Doch von der im Heimatland propagierten Kriegsromantik ist im Schützengraben nicht viel zu spüren. Hier gibt es nur Blut, Dreck und Tod. Zwar erhält Paul wertvolle Ratschläge vom kampferprobten Stanislaus Katczinsky (Albrecht Schuch), doch gegen die Sinnlosigkeit des Krieges kann auch dieser nicht viel ausrichten. Währenddessen macht sich eine deutsche Delegation, angeführt von Matthias Erzberger (Daniel Brühl), auf den Weg nach Frankreich, um einen Waffenstillstand zu verhandeln und den Krieg zu beenden.
 
Buchverfilmungen haben es traditionell sehr schwer, Remakes erfolgreicher Filme ebenso. Zwar ist die erfolgreiche erste Adaption von Erich Maria Remarques Roman Im Westen nichts Neues schon annähernd 100 Jahre alt, trotzdem schien Edward Bergers neuer Versuch, der zudem die erste deutsche Verfilmung darstellt, von Anfang an ein Unterfangen zu sein, das zum Scheitern verurteilt war. Und so schien es auch zu kommen, als kurz nach Veröffentlichung die ersten - mehrheitlich negativen - Kritiken eintrudelten. Zu weit entfernt vom Original wäre der Film, wenig geschichtstreu und voller Klischees. Doch dann kamen die Oscars und die BAFTAS, von denen es gleich vier beziehungsweise sieben Stück gab, und die Kritiken wurden schlagartig positiver.
 
Wir haben versucht, einen neutralen Blick auf Im Westen nichts Neues zu werfen, und dafür bewusst auf die schicke Mediabook-Blu-ray/UHD-Veröffentlichung von Capelight Pictures gewartet. Denn wenn man einen Film, der vor allem durch seine visuellen Reize punktet, genießt, dann doch bitte in der bestmöglichen Qualität. Und allem Fortschritt entgegen wird das Drücken des Netflix-Play-Buttons doch nie die gleiche Befriedigung auslösen wie das Einlegen der Scheibe in den Player, vor allem, wenn sie in so schicker Verpackung kommt.
 
Denn tatsächlich ist es von Sekunde Eins an die Optik, die den geneigten Zuschauer von Im Westen nichts Neues in seinen Bann zieht. Hier gibt es kein "für einen deutschen Film", der Streifen hat problemlos Hollywood-Niveau. Man merkt, dass Netflix hier wirklich nicht gespart hat.
 
Bei allem, was darüber hinaus geht, scheiden sich natürlich wie immer die Geister, denn letztlich ist auch Im Westen nichts Neues vor allem eines, nämlich ein Kriegsfilm, so aufrichtig das große Anti- davor in diesem Fall auch umgesetzt ist. Und für diese gilt immer noch, kennst du einen, kennst du alle. Was ihn aber von Werken wie Der Soldat James Ryan oder dem stilistisch teilweise sehr ähnlichen 1917 unterscheidet ist der im besten Sinne "deutsche" Umgang mit der eigenen Geschichte. In Im Westen nichts Neues gibt es kleine Helden, keine Glorifizierung des Krieges, es gibt nur Gemetzel, und das auf beiden Seiten der Front. Denn auch die Franzosen schlachten ihre Feinde genauso erbarmungslos und grausam ab, wie es die Deutschen noch Minuten vorher getan haben.
 
Dazu passt auch der, dem Ursprungsroman entsprechende, nüchtern-sachliche Umgang mit seinen Charakteren. Denn wir bekommen keine wirkliche Identifikationsfigur, genau genommen bekommen wir nicht einmal eine wirkliche Hauptrolle. Natürlich folgen wir Paul Bäumer in den Krieg, befinden uns die meiste Zeit - und dank genialer Kameraführung extrem unmittelbar - in seiner Nähe und erleben mit ihm zusammen das Grauen der Westfront. Doch auch er bleibt uns bis zuletzt ein Rätsel, mehr eine Figur als ein echter Mensch und damit genau das, was er auch im echten Leben war: Ein namenloser Soldat, Kanonenfutter.
 
Ähnlich differenziert sollte man also wohl auch den größten Kritikpunkt im Vorfeld betrachten, die Masse an Klischees, die der Film unbestreitbar bedient. Spoiler vermeidend wollen wir hier nicht zu sehr ins Detail gehen, aber Im Westen nichts Neues bietet wie schon erwähnt keine Menschen, er bietet Abziehbilder. Es gibt den Spaßvogel, den Angsthasen, den bösen Offizier gegen den armen Soldaten, und von Anfang an den Full Metal Jacket-artigen Drill, den man aus beinahe jedem ähnlich gearteten Film kennt. All das ist so generisch, es muss Absicht gewesen sein. Regisseur Edward Berger gibt einem den gesamten Film über nicht eine Sekunde das Gefühl, eine seiner Entscheidungen könnte nicht wohlüberlegt gewesen sein.
 
Was den Zuschauer dann aber immer wieder aus der Handlung und damit aus der Stimmung reißt, ist leider ausrechnet der Teil, der den aktuellen Im Westen nichts Neues von den älteren Verfilmungen und auch vom Buch unterscheidet, nämlich die parallele Handlung rund um Matthias Erzberger und die Kapitulationsverhandlungen. Genau dafür konnte man mit Daniel Brühl das wohl bekannteste Gesicht des Films gewinnen, doch selbst wenn man dessen Spiel und seinem Versuch, Dialekte zu imitieren, grundsätzlich positiv entgegensteht, sind diese Szenen doch in besten Fall schlicht unnötig. Die Intention ist klar, herrscht dort doch makellose Sauberkeit und verschwenderischer Überfluss, während zeitgleich Soldaten, sofern sie nicht in ihrem eigenen Blut ertrinken, Gänse stehlen müssen, um nicht zu verhungern. Doch erzählerisch trägt dieser Aspekt nur Recht wenig bei. Hier wurde versucht, das Geschehen in einen klaren zeitlichen Rahmen zu stecken und das Finale dadurch noch eindringlicher wirken zu lassen. Erreicht wurde leider das Gegenteil, weil dem Zuschauer viel zu viel Gelegenheit gegeben wird, sich von dem Geschehen an der Front zu erholen und damit auch zu distanzieren.
 
Doch all das ist Jammern auf höchstem Niveau, denn Im Westen nichts Neues ist fantastisch erzählt, großartig gespielt und in all seiner Grausamkeit wunderschön. Unserer Meinung nach hat der Film seine sämtlichen Preise absolut verdient und ist - seit leider sehr langer Zeit - einmal wieder eine deutsche Produktion, die auch international absolut mitspielen kann.
 

Bildergalerie von Im Westen nichts Neues (6 Bilder)

Details der 4K-UHD:

Für diesen Test haben wir keine Mühen gescheut und uns sowohl auf die 4K-Netflix-Fassung, die UHD und die ebenfalls im Mediabook enthaltene Blu-ray einen Blick geworfen. Und hier zeigte sich, dass die haptische Veröffentlichung nicht nur für Puristen und Sammler interessant ist, sondern auch die Schwarzwerte, der Kontrast und vor allem auch der Ton der UHD sind Netflix meilenweit überlegen. Die Standard-Blu-ray kann da technisch natürlich nicht ganz mithalten, doch allen beiden Versionen gemein ist ein natürliches, scharfes und klares Bild, und zwar vom strahlendsten Sonnenschein bis in nächtliche Schützengräben. Keine Explosion kann dem Bild eine Störung entlocken und klanglich drücken ebendiese mit Gewalt aus den Boxen. Ein halbwegs ordentliches Heimkino vorausgesetzt, ist man wirklich mittendrin im Film und möchte immer tiefer im Kinosessel verschwinden. Neben dem schön gestalteten Booklet, das neben vielen Fotos zwei Interviews mit Regisseur Edward Berger und Geschichtsprofessor Dr. Daniel Schönplug enthält, bietet die Scheibe ein sehr interessantes Making of sowie die Trailer des Films in verschiedenen Versionen.


Cover & Bilder © capelight pictures OHG / © Reiner Bajo


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Selbst wenn man Kriegsfilmen gegenüber - wie ich - nicht unbedingt positiv eingestellt ist, spätestens nach dem unglaublichen Erfolg bei den Oscars ist man als Filmfan quasi verpflichtet, einen Blick auf Im Westen nichts Neues zu werfen. Und wenn man das einmal getan hat, wird man feststellen, dass man hier etwas wirklich Besonderes vor Augen hat. Der Film fühlt sich in all seinem Bombast, dem im jeder Sekunde sichtbaren - auch finanziell - extrem hohem Produktionsniveau und dem internationalen Erfolg in seinen persönlichen Momenten trotzdem an wie eine kleine Independent-Produktion. Er hat seine Ecken und Kanten und es wirkt, als wäre wirklich jeder Beteiligte mit Herzblut bei der Sache gewesen. Und allein, um diesem Umstand Respekt zu zollen, lohnt sich ein Blick. Und wer darüber hinaus auch noch ein echtes Highlight fürs heimische Filmregal haben will, dem sei extrem zum Mediabook geraten!


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